Steuererhöhungen mit Geschmäckle

Es ist leider kein Aprilscherz: Die Stadtverordnetenversammlung Wetter hat am Dienstag, dem 30. März, mit der absoluten Mehrheit der SPD erneut Steuererhöhungen für alle beschlossen. Demnach steigt die Grundsteuer rückwirkend zum 1. Januar 2021 um 60 % auf den neuen Höchsthebesatz von 455 %. Es handelt sich bereits um die fünfte Anhebung der Grundsteuer innerhalb nur eines Jahrzehnts, einem Anstieg von sage und schreibe 195 % seit 2010. Hier die Entwicklung des örtlichen Hebesatzes in der letzten Dekade: 2019: 395 %, 2015: 360 %, 2014: 320 %, 2011: 270 %, 2010: 260 %.

Angehoben wird die Grundsteuer A und B gleichermaßen. Da die Grundsteuer umlagefähig ist, sind von der Erhöhung sowohl Hausbesitzer und Mieter (Grundsteuer B) als auch Land- und Forstwirte (Grundsteuer A) unabhängig von der Höhe des jeweiligen Einkommens betroffen. Ähnlich wie die Mehrwertsteuer auf Bundesebene ist die Grundsteuer auf kommunaler Ebene ungerecht wie kaum eine andere Steuer. Sie unterscheidet nicht nach Einkommen, sondern kassiert bei jedem in gleichem Maße ab.

Auch ist das Ende der Fahnenstange längst nicht erreicht: Laut einem Bericht der Oberhessischen Presse (Printausgabe, 1. April 2021) kündigte SPD-Fraktionsvorsitzender Harald Althaus eine weitere Erhöhung der Grundsteuer für das Jahr 2022 bereits an, zumindest sei dann eine weitere Anhebung im Finanzplan so vorgesehen. Von einer Anhebung der Gewerbesteuer hingegen, so Althaus dem Bericht zufolge weiter, habe die SPD bewusst abgesehen, „um die schwierige Situation unseres Gewerbes in der Pandemiezeit nicht noch zu verschlechtern.“

Letzteres ist angesichts der Gewerbestruktur vor Ort zweifelsohne richtig. Dass die Corona-Pandemie zugleich, wie vielfach belegt, die soziale Ungleichheit in Deutschland massiv verschärft hat, kommt der SPD allerdings nicht in den Sinn. Durch die Corona-Krise wird es für viele noch schwieriger, stellte das Statistische Bundesamt jüngst fest, aus der Armut wieder herauszufinden. In Wetter potenziert sich dieser negative Effekt, indem sich bspw. die Mietnebenkosten infolge des Anstiegs der Grundsteuer nun erhöhen.

Ebenso wird die Erhöhung der Grundsteuer A für Forstwirte – wir sprechen hier nicht von Großgrundbesitzern, sondern allenfalls von forstwirtschaftlichem Zuerwerb – nach dem Verfall der Holzpreise infolge des Borkenkäferbefalls partiell existenzbedrohend wirken, selbst bei Möglichkeit zu teilweisem Erlass in Höhe von maximal 50 Prozent. Ebenso werden die Landwirte, ebenfalls oft in Zu- oder Nebenerwerb tätig, wohl kaum in Jubel ausbrechen. Ihr Wohlwollen aber wird für die notwendige Ökologisierung der Landwirtschaft, die gleichermaßen nicht kostenfrei zu haben ist, dringend gebraucht.

Geschmäckle hat die Entscheidung zudem insoweit, als die SPD ihre Disposition im Vorfeld der Kommunalwahl am 14. März verschwieg. Hätte sie vor der Wahl – die Haushaltszahlen lagen zu diesem Zeitpunkt den Stadtverordneten bereits vor, nicht aber der Öffentlichkeit – angekündigt, nach der Wahl die Steuern zu erhöhen, wäre das Wahlergebnis wohl anders ausgegangen. Jedenfalls muss man kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Verluste der SPD dann nicht drei Prozentpunkte betragen hätten, sondern ein Vielfaches davon.

Der Vorgang zeigt zudem, dass die Stadt Wetter – wie in unserem Wahlprogramm gefordert – dringend Transparenz im städtischen und im parlamentarischen Verwaltungshandeln sowie Bürgerbeteiligung bei Fragen rund um die Verwendung von öffentlichen Mitteln bedarf. Auch sollten die Bürger*innen die vorgeschlagene Gemeindefusion von Lahntal, Wetter und Münchhausen mit einem kritischen Blick im Auge behalten. Die Fusion, wie ebenfalls in unserem Wahlprogramm dargelegt, wird die Steuerbelastung für alle in Wetter und Lahntal steigen lassen, ohne dass damit auch nur eine einzige Verbesserung in den kommunalen Leistungen einhergeht.

Die Entscheidung zur Grundsteuererhöhung in der Stadtverordnetenversammlung erfolgte noch nach der alten Zusammensetzung. Dort hatte die SPD zuletzt eine absolute Mehrheit, wurde aber im Steuererhöhungsbeschluss, auch das ein gewisses Kuriosum, von dem einzigen Vertreter der FDP unterstützt. Die mit der Wahl am 13. März neu gewählte Stadtverordnetenversammlung wird sich in neuer Zusammensetzung und mit anderen Mehrheitsverhältnissen erst am 27. April 2021 konstituieren.