Nein zur Gemeindefusion (Teil II) – Kein Einflussgewinn

Gleich vorweg: Mehr politischer und administrativer Einfluss geht mit einer möglichen Fusion La-Mü-We (Lahntal – Münchhausen – Wetter) nicht einher. Die für kommunale Belange so wichtigen Aufgabengebiete Schulentwicklung und örtlicher Personennahverkehr verbleiben auch nach einem Zusammenschluss in der alleinigen Trägerschaft des Landkreises. Sprich: Weiterhin entscheiden Kreistag und Kreisverwaltung über die Schul- und ÖPNV-Versorgung vor Ort, somit über für die Lebensqualität und Attraktivität in dem Fusionsverbund zentrale Fragestellungen. Das wird in der „Machbarkeitsstudie: »Vertiefte Interkommunale Zusammenarbeit«“ auch klar zum Ausdruck gebracht.

Kleinlaut hingegen sind dort die Aussagen, wie – hier exemplarisch – im Nahverkehr die Situation zu verbessern ist. Bereits jetzt sind die Bus- und Bahnverbindungen, so sie denn überhaupt bestehen, zwischen den Kernstädten und den Ortteilen in Lahntal, Münchhausen und Wetter je für sich grottenschlecht. Künftig käme noch hinzu, dass zwischen Wetter und Lahntal generell keine direkte Nahverkehrsanbindung besteht. Eine Verbesserung der Situation, wie vorgeschlagen, durch Einflussnahmen der Kommunen auf den Nahverkehrsplan für den Landkreis Marburg-Biedenkopf wird schon deshalb (und wie bisher weiterhin) auf Granit stoßen, weil die Ausgaben im ÖPNV die Einnahmen überschreiten und bereits jetzt zum Ausgleich des Defizits originäre Mittel aus dem Kreishaushalt zugeschossen werden müssen (Nahverkehrsplan 2018 – 2022, S. 108).

Nahezu Null ist ebenso der Autonomiegewinn im Rahmen von Landesentwicklung und Regionalplanung. Die Dreierfusion würde eine Einstufung als Mittelzentrum nach beiden dazu notwendigen Kriterien verfehlen. Mit dann 19.000 Einwohnern auf dem Gemeindegebiet der drei Kommunen insgesamt würde die Untergrenze eines Mittelzentrums von mindestens 20.000 Einwohnern ebenso nicht erzielt, wie die notwendige Mindestgröße von 7.000 Einwohnern (im ländlichen Raum: 5.000) im zentralen Ortsteil eines Mittelzentrums nicht erreicht würde. Wetters Kernstadt, mit 4.200 Einwohnern dann größter Ortsteil im Fusionsverbund, läge deutlich darunter.

Aussagen wie auf der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 15. Juni 2021, eine fusionierte Kommune werde künftig einen regionalplanerischen Einfluss ausüben können vergleichbar der Stellung Kirchhains oder Biedenkopfs – beides Mittelzentren –, sind nachweislich falsch. La-Mü-We bliebe Grundzentrum, so wie Lahntal, Münchhausen und Wetter als Einzelkommunen auch. Irreführend ist zudem die Antwort auf die Frage: „Wie sind die Chancen, dass die neue Kommune als Mittelzentrum anerkannt werden kann?“ im Rahmen der Online-Werbekampagne „Wir im Nordkreis“ der Bürgermeister.

Selbstverständlich richtet sich, wie dort konstatiert, die Entscheidung über die raumordnerische Einstufung der Kommune nach der Landesentwicklungsplanung. Doch sind deren beiden genannten Kriterien selbstredend bekannt. Darüber hinaus werden auch in der vorläufigen, noch nicht verabschiedeten Neufassung „Landesentwicklungsplan Hessen 2020“ (Entwurf Hessische Landesregierung, Dezember 2019, S. 39) das 20.000er- (Einwohnerzahl insgesamt) und das 5.000er-Kriterium (Einwohnerzahl im zentralen Ortsteil) beibehalten.

Zwar kann von der 20.000er-Marke in Ausnahmefällen nach unten abgewichen werden. Aber bereits an typischen, dort aufgelisteten Versorgungseinrichtungen eines Mittelzentrums wie Gymnasium, Berufsschule, Amtsgericht etc. fehlte es in der Fusionskommune. Ganz zu schweigen davon, dass die explizite Vorgabe, mittelzentrale Einrichtungen sollen von jedem Ortsteil einer Gemeinde „in der Regel in ca. 45 Minuten mit dem öffentlichen Nahverkehr bei täglich mehrfach angebotenen Hin- und Rückfahrtgelegenheiten erreichbar sein“ (ebd.), für La-Mü-We eine schöne, aber vollkommen weltfremde Wirklichkeit beschriebe.

Schließlich hat im Rahmen der Überarbeitung des Landesentwicklungsplans auch eine von der Hessischen Landesregierung eingesetzte „Expertenkommission Zentrale Orte und Raumstruktur“ auf das bereits existierende dichte Netz an Mittelzentren in Hessen hingewiesen und empfohlen: „Eine Erhöhung der Anzahl der Mittelzentren erscheint aufgrund der vorhandenen Situation im Grundsatz nicht notwendig und ist daher tendenziell zu vermeiden. entsprechend besteht wenig Spielraum für Aufstufungen von Grundzentren ohne gleichzeitige Abstufung von Mittelzentren.“ (Ergebnisbericht Mai 2019, S. 12.)

All das zeigt, La-Mü-We reißt unübersehbar alle Hürden, die zur Einstufung als Mittelzentrum zu überwinden sind. Aussagen, eine Heraufstufung erfolge fusionsbedingt oder sei zumindest möglich, tragen deutlich den Charakter einer Märchenerzählung. Die Machbarkeitsstudie macht in dieser Frage lediglich zur Viererfusion (einschließlich Cölbes) eindeutige Aussagen: „Aufgrund der Einwohnerzahl von mehr als 25.000 Einwohnern einer fusionierten neuen Kommune wäre zwar die Einstufung als Mittelzentrum zukünftig denkbar, sie würde aber den derzeitigen Rahmenbedingungen des Landesentwicklungsplanes Hessen an ein Mittelzentrum widersprechen: Weder hätte die neue Kommune einen zentralen Ort mit mehr als 7.000 Einwohnern noch hätte sie einen mittelstädtischen Charakter.“ (S. 57.) Dennoch wird mit sehr viel Optimismus davon ausgegangen, dass bezogen auf die Viererfusion eine Anerkennung als Mittelzentrum auf übergeordneter politischer Ebene gelingen könne.

Im Falle der Dreierfusion La-Mü-We hingegen unterläuft ihr ein schwerwiegender Fehler. Dieser ist durchgängig, sodass von einem Flüchtigkeitsfehler nicht die Rede sein kann. Eher muss von einer Déformation professionelle gesprochen werden, bei der die Prädisposition (Wunsch nach Fusion) die fachliche Analyse dominiert. Behauptet wird, Lahntal, Münchhausen und Wetter wiesen fusioniert eine Gemeindegröße von mehr als 20.000 Einwohnern auf. (Machbarkeitsstudie, S. 137, 140 u. 293.) Das insinuiert, ob beabsichtigt oder nicht, das 20.000er-Kriterium werde erfüllt. Tatsächlich jedoch erreichte nach den Angaben des Hessischen Statistischen Landesamtes der Fusionsverbund – hier für den zu führenden Nachweis addiert – zum 31. Dezember 2019 exakt 19.009 Einwohner (Bericht Juni 2020, S. 28). Am 30. Juni 2020, jüngere Zahlen liegen verständlicherweise nicht vor, waren es mit 19.039 Einwohnern gerade einmal 30 mehr (Bericht September 2020, S. 28).

Dabei hätte ein unvoreingenommener Blick auf die eigenen Zahlen genügt: Hätte die Erstellerin die Machbarkeitsstudie die Einwohnerangaben zu Lahntal, Münchhausen und Wetter nur korrekt summiert (S. 42, dort nach Addition: 19.066) wäre die Schlussfolgerung unausweichlich gewesen, La-Mü-We verfehlt sowohl das 5.000er- als auch das 20.000er-Kriterium eindeutig. Eine Anerkennung als Mittelzentrum ist ausgeschlossen!

Ob die Bürgermeister der drei Kommunen die Zahlen und Berechnungen der Machbarkeitstudie durch ihre Verwaltungen in Hinsicht auf Plausibilität haben prüfen lassen, ist nicht bekannt – dem Anschein nach offenbar aber nicht. In den kommenden Wochen und Teilen werden wir auf weitere methodische Ungereimtheiten in den Kalkulationen hinweisen.

Teil I – Die Risiken
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