Am 22. Februar 2022 wird in der Stadtverordnetenversammlung Wetter der Haushaltsplan für das laufende Jahr beschlossen. Nach dem vorliegenden Planentwurf ist in unserer Kommune eine erneute Erhöhung der Grundsteuern beabsichtigt. Die Grundsteuer B stiege dann – wie schon im letzten Jahr – um weitere 60 Prozent auf einen, rückwirkend zum 1. Januar 2022 geltenden Hebesatz von nun insgesamt 515 Prozent. Doch ist damit das Ende der Fahnenstange längst noch nicht erreicht. Für das kommende Jahr 2023 soll nach diesen Plänen eine weitere Anhebung um 95 Prozent auf dann 610 Prozent erfolgen. In den 12 zurückliegenden Jahren wäre somit ein Anstieg der Hebesätze um sage und schreibe 350 Prozent erfolgt.
Die Grundsteuer B (für bebaute und unbebaute Grundstücke) wird quasi allen unabhängig von der Einkommenshöhe aufgebürdet: Hauseigentümer, die insbesondere auf dem Lande beileibe nicht zeitgleich immer auch Besserverdienende sind, zahlen sie ebenso wie die Mieter von Wohnungen und Häusern, da sie auf die Nebenkosten umlegbar ist. Sie ist zudem als regressive Steuer sozial ungerecht: Geringere Einkommen werden durch die Grundsteuer stärker belastet als Haushalte mit höherer Finanzkraft. Aktuell haben zudem einkommensschwache Haushalte unter der grassierenden Teuerung besonders zu leiden. Eine weitere Belastung durch die Erhöhung städtischer Steuern ist ihnen nicht zuzumuten.
Auch eine Erhöhung der Grundsteuer A (für Grundstücke der Land- und Forstwirtschaft) entfaltet sozial dysfunktionale Wirkungen. Momentan haben vornehmlich die Eigentümer von kleinen und mittelgroßen Parzellen in der Forstwirtschaft die Folgen der Borkenkäferkalamität in besonderem Maße zu tragen. Der Wertverlust ihrer über Jahrzehnte getätigten Investitionen ist infolge der Schadensereignisse enorm. Eine zusätzliche Besteuerung brächte sie an den Rand einer nicht tragfähigen Substanzbesteuerung. Zugleich werden auch Gut- und Besserverdienende von einer stetigen Steuererhöhungspolitik abgeschreckt, zumal diese nicht mit einer Erhöhung von Lebensqualität oder von städtischen Leistungen einhergeht.
Die Fraktion DIE LINKE hat aus diesen Gründen einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, die Erhöhung beider Grundsteuern auszuschließen (Antrag: Erhöhung der Grundsteuern ausschließen). Die damit verbundenen Mindereinnahmen in Höhe von 197.000 EUR sollen durch entsprechende Einsparungen in den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen auf Seiten der städtischen Verwaltung ausgeglichen werden. Gegenüber 2021 stiege dieser Posten demzufolge nicht (wie ursprünglich veranschlagt) um 7,3 Prozent, sondern um 1,4 Prozent. Gegebenenfalls zufließende Verbesserungen im Ergebnishaushalt, etwa durch eine Absenkung der Kreisumlage oder erhöhte Landeszuweisungen (Stichwort: zusätzliche Biontech-Gewerbesteuereinnahmen), können bis zu einer Höhe des Kürzungsbetrags der Kontengruppe dennoch zugeführt werden.
Ein weiterer, ebenfalls zu den Haushaltsberatungen eingereichter Antrag der Fraktion gilt dem Stopp eines Straßenbauprojekts unter dem Titel „Erschließung des Gewerbegebiets ‚Wetters neue Mitte‘“ (Antrag: Stadtentwicklungspolitisch nicht notwendiges und klimapolitisch schädliches Straßenbauprojekt stoppen). Darunter wird der Neubau einer Stichstraße von der K123 zum Einkaufszentrum in der Kernstadt Wetter geführt. Dieses Straßenneubauprojekt ist stadtentwicklungspolitisch nicht notwendig. Einer künftig zunehmenden verkehrspolitischen Gefährdung von Kindern im Bereich der Amönauer Straße, insbesondere im unmittelbaren Gefilde der Burgwaldschule und der Kita „Zwergenland”, kann gegebenenfalls durch eine Einbahnstraßenregelung oder sonstige Maßnahmen der Verkehrsberuhigung (bspw. Bodenschwellen) problemlos und kostengünstig begegnet werden.
Klimapolitisch bedeutete die Realisierung eines solchen Projekts zudem einen bodenversiegelnden und schädlichen, letztlich untragbaren Eingriff in die ökologisch besonders sensible Wetschaftsaue. Diese bildet überdies im Falle von Starkregenereignissen eine wichtige Funktion als Überschwemmungsgebiet, deren Überflutungseigenschaften durch Versiegelung künftig stark eingeschränkt würden, mithin vor Ort gesteigerte Flutschäden flussabwärts herbeiführten. Unabhängig davon geht das Straßenbauprojekt mit einer weiteren Erhöhung des Schuldenstands unserer Kommune einher und kann aller Wahrscheinlichkeit nach nur über eine weitere Erhöhung der Grundsteuern finanziert werden. Dies soll durch einen Verzicht auf das Projekt von vornherein ausgeschlossen werden.
Die Fraktion hat ferner beantragt, die erneute Erhöhung der Eintrittspreise und Kursgebühren für das städtische Hallenbad auszusetzen (Antrag: Keine Erhöhung der Eintrittspreise für das städtische Hallenbad). Über diese wird ebenfalls im Rahmen der Haushaltsberatungen beschlossen. Bislang beabsichtigt ist eine exorbitante Erhöhung der Eintrittspreise, die nicht nur die enorm wichtigen jugend-, schul-, sport-, senioren-, familien- sowie freizeitpolitischen Funktionen der Einrichtung untergräbt, sondern auch die selbst gesetzten Ziele einer entsprechenden Einnahmenerhöhung nicht erreichen kann. Vielmehr stehen die prognostizierten Einnahmengewinne auf wackligen Füßen, basieren sie doch auf (gegenüber den avisierten Eintrittspreiserhöhungen) gleichbleibenden Nutzungszahlen.
Das heißt: Die beabsichtigte Erhöhung der Eintrittspreise für Erwachsene um 30,4 Prozent (von 4,60 EUR auf 6,00 EUR), für Kinder und Jugendliche um 52,2 Prozent (von 2,30 EUR auf 3,50 EUR) oder auch der Kursgebühren für Aquafitness um 76,5 Prozent (von 8,50 EUR auf 15,00 EUR) würde vor Ort nicht nur jedes (sozial) verträgliche Maß sprengen, sondern zugleich auch Ausweichbewegungen auf benachbarte, zudem besser ausgestattete Bäder hervorrufen. Zu nennen sind insbesondere die nahe gelegenen Alternativbäder in Marburg, wie das wesentlich größere Hallenbad Wehrda mit einem Eintrittspreis für Erwachsene in Höhe von lediglich 2,50 EUR (Kinder/Jugendliche: 1,50 EUR, Aquafitness: 5,50 EUR) oder das Sport- und Freizeitbad Aquamar mit ungleich höheren freizeit- und sportpolitischen Standards und einem Eintrittspreis (Nutzungsdauer: 2 h) für Erwachsene von nur 4,50 EUR (Kinder/Jugendliche: 2,00 EUR, Aquafitness: 7,00 EUR).
Und schließlich gilt ein vierter Antrag der Fraktion dem Geschäftsbereich Nahwärme des Eigenbetriebes Stadtwerke Wetter (Antrag: Geschäftsbereich Nahwärme des Eigenbetriebes Stadtwerke Wetter auflösen). Der defizitäre, nur bedingt klimagerechte und biodiversitätsschädigende Geschäftsbereich Nahwärme soll zum 31. Mai 2023 aufgelöst werden. Zusätzliche Investitionen in die beiden damit verbundenen Betriebszweige sollen, insbesondere um neue Verluste im städtischen Haushalt und weitere Erhöhungen der Grundsteuern künftig auszuschließen, ab sofort nicht mehr getätig werden.
Ursprünglich eingerichtet, um die Verluste des städtischen Hallenbades auszugleichen, hat sich der Geschäftsbereich Nahwärme selbst zu einem zusätzlichen Negativposten in der prekären Haushaltslage der Stadt Wetter entwickelt. Festzustellen ist, dass die ökonomischen Skaleneffekte für die Erzeugung und Distribution von Nahwärme vor Ort nicht gegeben sind. Auch durch die beabsichtigte Erschließung des Neubaugebiets „Am Mellnauer Höhlchen“ für das Nahwärmenetz der Stadtwerke wird sich die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsbereichs nicht verbessern. Vielmehr steht zu befürchten, dass durch die Erweiterung nichts anderes als zusätzliche Verluste generiert werden.
Aufgrund jüngerer Forschungsergebnisse bekannt ist ferner, dass die Erzeugung von Nahwärme aus Biomasse nur bedingt klimagerecht ist. Was einst – insbesondere mit dem Biogasboom Anfang der 2000er Jahre – als Beitrag zum Klimaschutz gedacht war, muss heute sehr viel differenzierter betrachtet werden. Jedenfalls sind die Potenziale in der Nutzung von Biomasse für den Klima- und Umweltschutz begrenzt und nicht vergleichbar mit der wesentlich effizienteren Energiegewinnung beispielsweise aus Photovoltaik. Der zunehmende Anbau von Energiepflanzen schädigt darüber hinaus die Artenvielfalt und Biodiversität nachhaltig. Zugleich beeinflusst der Anbau von Energiepflanzen in Form von Mais, Raps und Grassilage den Lebensraum der Arten ähnlich negativ wie der Klimawandel selbst.
Ziel der Auflösung des Geschäftsbereiches ist es, finanziellen Handlungsspielraum ohne eine stetige Erhöhung von städtischen Steuern zurückzugewinnen und beispielsweise Investitionen im Bereich der Energieversogung zu Photovoltaik auf Hausdächern umzulenken. Gerade jetzt, bevor ein nächster Schritt zu der Ausweitung des Nahwärmenetzes auf ein weiteres Neubaugebiet erfolgt, gilt es den eingeschlagenen Überschuldungsweg mit der Maxime zu begegnen: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.