Noch wurde der Stadtverordnetenversammlung Wetter (Hessen) der Haushaltsplanentwurf für das Jahr 2023 nicht zugeleitet, lediglich Eckdaten wurden bislang mitgeteilt. Doch schon diese haben es in sich: Nach den Vorstellungen des Gemeindevorstands soll die Nettoneuverschuldung in 2023 um 1,4 Mio. EUR und in 2024 um weitere 9,3 Mio. EUR steigen. Die Verbindlichkeiten aus Investitionskrediten – nicht zu verwechseln mit dem Verschuldungsstand der Stadt insgesamt, der zusätzlich auch anteilige Schulden im Rahmen von Mitgliedschaften in Zweckverbänden sowie die Verbindlichkeiten der Stadtwerke Wetter umfasst und für das Jahr 2023 auf 28,3 Mio. EUR taxiert wird – erreichten dann mit 11,9 Mio. EUR in 2023 und 21,2 Mio. EUR in 2024 neue Rekordhöhen.
Maßgeblich für diese Entwicklung sind im Wesentlichen drei zeitgleich verfolgte Baugroßvorhaben: der Neubau des Feuerwehrhauses für den Schutzbereich Ost (Mellnau, Oberrosphe, Unterrosphe) mit kalkulierten Kosten in Höhe von 3,2 Mio. EUR, der Neubau der Kita „Zwergenland“ (Amönauer Straße) mit kalkulierten Kosten in Höhe 7,5 Mio. EUR sowie der Neubau der Stadthalle mit kalkulierten Kosten in Höhe 6,0 Mio. EUR. Zwar enthalten die Kalkulationen Förderzuwendungen von Bund und Land in unterschiedlicher Höhe, doch überwiegt der von der Kommune zu erbringende Eigenanteil oder ist zumindest erheblich. Zudem steht in Anbetracht der zu verzeichnenden Preisexplosion im Bauwesen zu erwarten, dass für alle drei Bauvorhaben die veranschlagten Gesamtkosten nicht zu halten sein werden.
Im Falle der Stadthalle kommt hinzu, dass es zuletzt vonseiten des Magistrats regelmäßig hieß, sie sei voll funktionsfähig, eine Einberufung der Stadthallenkommission ebenso wenig notwendig wie eine aktualisierte Aufstellung zu potentiell anfallenden Sanierungskosten. Gleichzeitig wirft das überfallartig getroffene Votum des Gemeindevorstands, die Stadthalle unter Zugrundelegung eines Förderprogramms des Bundes abreißen und in Form einer Kultur- und Mehrzweckhalle neuerrichten zulassen, erhebliche Fragen auf. Dient das Bundesprogramm doch vorrangig der klimafreundlichen Sanierung und Modernisierung von Schwimmhallen und Sportstätten, sind Bestandgebäude den Vorgaben zufolge grundsätzlich zu erhalten und Ersatzneubauten nur förderfähig, wenn dies im Vergleich zur Sanierung die nachweislich wirtschaftlichere und mit Blick auf den Klimaschutz effektivere Variante ist. Für beides jedoch liegen keine Nachweise vor.
Gravierender allerdings wirken die langfristigen finanziellen Belastungen für die Kommune. Allein schuldenbasiert sind drei zeitgleiche Baugroßvorhaben nicht zu finanzieren. Vielmehr bedarf es dazu – auch aufgrund bestehender haushaltsrechtlicher Bestimmungen – zusätzlicher eigener Einnahmen. Entsprechend sehen die Eckdaten für den kommenden Haushalt die Erhöhung des Hebesatzes für die Grundsteuer A (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft) in 2023 auf 550 % (2022: 480 %) und in 2024 auf 610 % vor, jene für die Grundsteuer B (bebaute und unbebaute Grundstücke) in 2023 auf 550 % (2022: 515 %) und in 2024 auf 610 %. Der Gewerbesteuerhebesatz würde zudem in 2023 auf 415 % (2022: 400 %) und in 2024 auf 435 % erhöht.
Insbesondere die Grundsteuer B belastet als regressive Steuer geringere Einkommen stärker als Haushalte mit höherer Finanzkraft. Da diese auf die Miete von Häusern und Wohnungen umlegbar ist, wird sie quasi allen unabhängig von der Einkommenshöhe aufgebürdet. Einkommensschwache Haushalte haben zudem unter der grassierenden Inflation von aktuell mehr als zehn Prozent besonders zu leiden. Doch nicht nur das: Zugleich gerät die Kommune an ihr Limit. Künftig fehlt es ihr nicht nur an Investitionsfähigkeiten in beispielsweise Jugend, Soziales und Kultur, sondern muss sie kontinuierlich weitere Steuererhöhungen vorantreiben, um nicht vollständig bewegungsunfähig zu werden und gleichzeitig die erforderlichen Kreditverbindlichkeiten bedienen zu können.
Hinweis:
Offiziell wird der Stadtverordnetenversammlung der Haushaltsplanentwurf 2023 im Januar zugeleitet, anschließend in deren Gremien beraten, dort möglicherweise noch abgeändert und voraussichtlich im März verabschiedet. Zur Stadthalle hat die Fraktion DIE LINKE eine Große Anfrage „Konditionen für einen Neubau anstatt einer Sanierung der Stadthalle“ eingereicht, deren Beantwortung noch aussteht.